Die Arztpraxis bei Scheidung und im Zugewinnausgleich

Die Arztpraxis im Scheidungsverfahren

Nach der Trennung der Eheleute stellt sich für freiberufliche Ärzte mit eigener Praxis die Frage, wie die Arztpraxis als Einkommensquelle einerseits und als Vermögenswert andererseits im Scheidungsverfahren zu berücksichtigen ist.

Die Arztpraxis als Einkommensquelle

Die Arztpraxis als Einkommensquelle ist bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen. Aus dem Gewinn errechnet sich nach Abzug von Steuer, Krankenversicherungsbeiträgen und sonstigen Zahlungsverpflichtungen in der Regel das für die Unterhaltsberechnung in Ansatz zu bringende Einkommen aus beruflicher Tätigkeit. 

 

Die Arztpraxis als Vermögensposition

Die Arztpraxis stellt im Zugewinnausgleich eine Vermögensposition dar, die zusätzlich zu Ausgleichsansprüchen des Ehegatten führen kann. Nachstehend wird dargestellt, wie der Zugewinnausgleich durchgeführt wird, die Bewertung der Arztpraxis erfolgen kann und wie sich der Wert der Praxis auf die Auseinandersetzung des Vermögens auswirkt.

Die Arztpraxis im Zugewinnausgleich

Im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren besteht zur Geltendmachung von Zugewinnausgleich ein Auskunftsanspruch hinsichtlich des vorhandenen Vermögens. Dieser Auskunftsanspruch richtet sich auf die Darlegung des Vermögens zum Beginn der Ehe (Anfangsvermögen) und zum Ende der Ehe (Endvermögen). 

Das Anfangsvermögen

Das Anfangsvermögen meint das Vermögen, das am Tag der Hochzeit vorhanden gewesen ist. Schulden oder Zahlungsverpflichtungen werden berücksichtigt. Selbstverständlich ist es schwierig und manchmal unmöglich, den Vermögensstatus zum Hochzeitstag zu ermitteln. Dann wird das Anfangsvermögen mit Null in die Berechnung eingestellt. Je höher das Anfangsvermögen nachweislich ist, desto besser ist das für den jeweiligen Ehegatten.

Das Endvermögen

Das Endvermögen meint das Vermögen am Tag der Rechtshängigkeit. Dies ist der Tag, an dem der Scheidungsantrag über das Gericht beim anderen Ehegatten in den Briefkasten eingeworfen wird. Da dies vom Briefträger mit Postzustellungsurkunde erfolgt, kann dieses genaue Datum ermittelt werden.
 
Der Tag des Endvermögens ist also für die Berechnung des Zugewinnausgleichs entscheidend. Und dieser Tag ist also nicht identisch mit dem Zeitpunkt der Trennung, sondern liegt in der Regel mindestens ein Jahr nach der Trennung. 
  
Zu diesem Stichtag für das Endvermögen ist das gesamte Vermögen unter Berücksichtigung der bestehenden Verbindlichkeiten aufzulisten.

Ehevertrag oder Zugewinnausgleich?

Voraussetzung für die Auskunftserteilung, die Berechnung und eine Ausgleichszahlung ist, dass die Eheleute im gesetzlichen Güterstand leben. Das bedeutet: Das Gesetz sieht vor, dass ein Zugewinnausgleich durchgeführt werden kann.
 
Aber: Die Eheleute haben vor der Ehe oder während der Ehe die Möglichkeit, in einem Ehevertrag eine davon abweichende Regelung zu treffen. So kann als Alternative zum Zugewinnauslgeich auch Gütertrennung oder (sehr selten) Gütergemeinschaft vereinbart wird. In diesen Fällen wäre ein Zugewinnausgleich nicht durchzuführen und die Arztpraxis würde im Rahmen der Scheidung bei der Vermögensaufteilung bei Gütertrennung unbeachtlich bleiben.
  
Wurde also ein Ehevertrag geschlossen und dort der Zugewinnausgleich durch Gütertrennung ausgeschlossen, wirkt sich dies auf das Gesamte Vermögen der Eheleute und damit auch auch die Arztpraxis aus.

Der Zugewinnausgleich - die gesetzliche Regelung

Ganz grundsätzlich ist der Zugewinnausgleich in den §§ 1663 ff BGB geregelt. Danach werden das Vermögen des Mannes und das Vermögen der Frau nicht gemeinschaftliches Vermögen, soweit es keinen Ehevertrag gibt. Wenn diese Zugewinngemeinschaft jedoch endet, ist ein Ausgleich zu zahlen.
 
Das bedeutet: Hat der Ehemann mehr Vermögen in der Ehe hinzugewonnen als die Ehefrau, dann kann die Frau eine Ausgleichszahlung fordern. 
  
Der Anspruch auf eine Ausgleichszahlung ändert also nichts an den Eigentumsverhältnissen, es entsteht "nur" ein Anspruch auf Auszahlung von Geld.

Die Arztpraxis - ein Problemfall?

Dieser Anspruch auf Auszahlung von Geld aus Ausgleichszahlung kann zu einem Problem werden. Wurde beispielsweise die Arztpraxis bereits 15 Jahre vor der Trennung der Eheleute gegründet und ist heute etabliert und bekannt, ist bei dem Wert der Arztpraxis davon auszugehen, dass sich der Wert der Arztpraxis nicht nur unerheblich erhöht hat.
 
Wäre der Ehemann Alleininhaber der Arztpraxis und wäre sonst kein Vermögen vorhanden, könnte die Ehefrau die Hälfte des Wertes der Arztpraxis als Ausgleichszahlung im Rahmen des Zugewinnausgleichs einfordern. Ein unter Umständen erheblicher finanzieller Betrag.
 
Wäre neben der Arztpraxis noch ein Einfamilienhaus vorhanden, für das im Grundbuch nur der Ehemann eingetragen ist, hätte die Ehefrau auch hierfür einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 50% des Wertes der Immobilie. 
 
Der Ehemann bleibt also in diesem Beispielsfall  Inhaber der Arztpraxis und Alleineigentümer des Hauses, er muss aber erhebliche Zahlungen an die Ehefrau leisten als Ausgleichszahlung im Zugewinnverfahren. Dem Ehemann als Inhaber der Arztpraxis droht in diesem Beispielsfall die Zahlungsunfähigkeit im Hinblick auf die Ausgleichszahlung. 

Die Bewertung der freiberuflichen Arztpraxis im Scheidungsverfahren

Eine bestimmte Methode zur Bewertung der Arztpraxis ist nicht vorgeschrieben. In der Regel wird zur Bewertung der Arztpraxis das sogenannte Umsatzverfahren angewendet. Der Wert der Arztpraxis resultiert dabei aus dem Substanzwert und dem immateriellen Praxiswert ("good will").
 
Dabei bemisst sich der Substanzwert u.a. aus der Praxiseinrichtung, dem Arbeitsmaterial und den ausstehenden Forderungen.
 
Der immaterielle Praxiswert wird in der Regel aus den durchschnittlichen Umsätzen der letzten drei Jahre ermittelt unter Berücksichtigung und nach Abzug des Unternehmerlohns. 
  
Um den Wert einer Arztpraxis zu bestimmen kann ein Gutachter beauftragt werden. Um hier keine unnötigen Kosten zu verursachen sollte vorher eine Absprache zwischen den Eheleuten erfolgen, dass diese sich auf einen Gutachter einigen und dessen Ergebnis in jedem Fall als bindend bzw. verbindlich anerkennen werden. Auch die kassenärztliche Vereinigung kann ein Gutachten erstellen. Kommt zwischen den Eheleuten keine Einigung insoweit zustande, kann ein verbindliches Gutachten im Gerichtsverfahren durch den Richter in Auftrag gegeben werden.

Die Arztpraxis in der Scheidungsvereinbarung

Steht der Wert der Arztpraxis fest, handelt es sich bei der Arztpraxis grundsätzlich nur noch um eine Berechnungsposition entsprechend wie Bankkonten, Autos, Immobilien oder Forderungen.
 
Jedoch mit einer Ausnahme: Bei einem Auto oder auch einer Immobilie können beide Eheleute letztlich einen Vorteil aus dem Erwerb ziehen. Erhält im Wege der finanziellen Auseinandersetzung beispielsweise die Ehefrau eine Immobilie zum Alleineigentum übertragen, kann Sie frei wählen, ob sie die Immobilie künftig selbst nutzen möchte, vermietet oder verkauft. Ähnlich ist es bei der Übertragung eines Autos. Auch die Aufteilung von Bankkonten ist vergleichsweise einfach.
 
Die Arztpraxis kann jedoch üblicherweise nur von einem der beiden Eheleute weiter geführt werden. Eine Aufteilung oder Übertragung der Arztpraxis ist in der Regel nicht möglich. 
 
Dies führt dazu, das die Aufteilung der Vermögenspositionen im Rahmen des Zugewinnausgleichs nicht völlig frei vorgenommen werden kann, da die häufig erhebliche Postion "Arztpraxis" bereits fest einem der Eheleute zuzuordnen ist, nämlich dem bisherigen Praxisinhaber. 
 
Hierauf sollte bei der Aufteilung der zunächst rein mathematischen Aufteilung des Zugewinns im Zusammenhang mit der Ehescheidung geachtet werden. Sind beide Eheleute an einer einvernehmlichen Regelung interessiert, kommt im Rahmen einer Gesamtlösung deshalb auch eine individuelle Bestimmung des Praxiswertes in Betracht, der dann auch von dem Wert des Gutachtens unterscheiden kann. 
 
In jedem Fall kommen verschiedene Einigungsformen in Betracht:
Zum einen können die Eheleute eine notarielle Vereinbarung treffen als Ehevertrag oder als Vereinbarung für das Scheidungsverfahren. 
 
Alternativ dazu kann im Scheidungstermin die Protokollierung einer Vereinbarung erfolgen, in der neben dem Unterhalt auch der Zugewinnausgleich abschießend geregelt ist. Eine solche häufig praktizierte Scheidungsfolgenvereinbarung kann von den Eheleuten frei ausgehandelt, von den beauftragten Rechtsanwälten in die erforderliche Form gebracht werden und wird dann im Scheidungstermin durch den zuständigen Richter für bindend und wirksam erklärt.
 Sinnvoll ist es, schon im Vorfeld und bereits lange vor einer Trennungsabsicht eine Regelung zu treffen, wie die Arztpraxis im Scheidungsfall zu bewerten und als Ausgleichsposition zu behandeln ist.
 
Da dies häufig nicht geschehen ist, sollte dann eine für alle Beteiligen sinnvolle und einvernehmliche Paketlösung angestrebt und gefunden werden. Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts mit entsprechender langjähriger Berufserfahrung hat sich dabei schon häufig als Vorteil herausgestellt.
 
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